Yara ist 46 Jahre alt und kommt aus Hama in Syrien. Sie hat 5 Söhne und 2 Töchter. Außerdem ist sie bereits Oma geworden und hat ihre Tochter und das Enkelkind aus Amman zu Besuch. Yara trägt ihren Hidschab (Kopftuch), als sie uns empfängt, zieht ihn aber aus, als sie sieht, dass wir nur Frauen sind. Sie sitzt locker, in Jogging-Hose und T-Shirt mit Comicmuster, vor uns. Ihre Haare hat sie locker zusammen geknotet, ein paar graue Strähnen fallen heraus.

Während meiner letzten Interviews war es ähnlich: Für die Fotos haben sich die Frauen ihre Tücher und Kleider übergeworfen, im Gespräch sitzen sie unverhüllt vor mir.
Diese Verwandlung von Kopftuch und Kleid, zu Comic T-Shirt und lockeren Hosen, ist für mich oft nicht leicht zu fassen. Die beiden Bilder sind zu unterschiedlich aber es ist eine tolle Erfahrung, beide Seiten sehen zu können.
Auch wenn ich mich hier in Kerak, als westliche Frau in der Öffentlichkeit, oft wie ein Fremdkörper fühle, so bin ich doch dankbar als Frau hier zu sein. Wäre ich ein Mann, wären die Frauen nicht so aufgeschlossen.
Nur die Hälfte von Yaras Kindern lebt noch in Jordanien.
Ein Sohn ist in den Libanon geflohen, der andere in die Türkei. Seit gut zweieinhalb Jahren lebt sie nun hier in Kerak, Jordanien. Als ich sie frage, warum sie geflohen sei, antwortet sie: “Ich hatte Angst um meine Kinder”. Ihr Mann ist vor 4 Jahren einfach verschwunden. Er ging eines Tages aus dem Haus und kam nie mehr zurück. Seitdem hat Yara nichts mehr von ihm gehört, geht aber davon aus, dass das Militär ihn eingezogen hat. Das sei durchaus nicht ungewöhnlich sagt sie: “Sie kommen einfach und nehmen die Männer mit, weil sie Soldaten brauchen.“ Die Männer werden gekidnappt und dann verschwinden sie. Ihr jüngster Sohn war damals nicht ganz ein Jahr alt. Seitdem muss sie sich mit den Kindern alleine durchschlagen.
Nach der Flucht aus Syrien ging Yara ins Camp Zaatari (Jordanien), ist aber sofort wieder geflohen, denn die Zustände waren unerträglich.


Mittlerweile kann man das Camp nicht mehr einfach verlassen. Da es auf den Straßen Jordaniens keine Arbeit und keine Unterstützung für Flüchtlinge gibt, will die Regierung sie im Camp halten. Hohe Beträge müssen, für die Freiheit gehen zu können, bezahlt werden. Ein Schwager von Yara musste für sie 1000 Jordanische Dinar (etwa 1300 Euro) bezahlen, damit sie das Camp wieder verlassen konnte. Seither bekommt sie Unterstützung durch Essenscoupons von der UN. Die Miete für ihre 2 Zimmerwohnung liegt bei 100 Dinar (130 Euro) und wird von ihrem Sohn aus dem Libanon bezahlt. Dass ihr Sohn ihr ständig Geld schicken muss, macht Yara sehr traurig aber mehr Unterstützung bekommt sie nicht.
Als wir ihr erzählen, dass die Übersetzerinnen und ich aus Deutschland, Norwegen und den USA kommen, bekommt sie große Augen. Sie möchte sehr gern nach Deutschland oder Kanada weiterreisen. Aus diesen beiden Ländern habe sie nur Gutes gehört. Da müsste der Sohn auch nicht für sie aufkommen und ihre Kinder bekämen eine anständige Schulbildung. Aber sie hat Angst um das Leben ihrer Kinder, denn der Weg mit den Booten sei zu gefährlich.
Yaras jüngster Sohn (Siehe Bild, Mitte) besucht die Vorschule von Vision Hope. Ich habe ihn beim Spielen beobachtet. Er ist ein sehr zurückhaltender Junge. Yara betont immer wieder, wie dankbar sie für den Kindergarten ist. Und dass es einen Bus gibt, der ihn abholt. Der Weg sei sonst zu weit. Yara sagt, sie wünsche sich mehr Englischunterricht, weil sie das für besonders wichtig hält. Ihr allergrößter Wunsch ist es jedoch nach Syrien zurückkehren zu können.
Ehrenamt in Jordanien. Fotos und Text © Alea Horst für Vision Hope International.
Im Oktober 2016 besuchte Alea Jordanien. Von dort schickte sie uns Bilder und Geschichten, die wir hier in einer Serie von zehn Artikeln teilen werden. In Jordanien, diesem warmen, einladenden arabischen Reich sind 89 von 1000 Einwohnern Flüchtlinge, dies sind ihre Geschichten.