Heute habe ich zwei syrische Familien in Kerak besucht.
Mahmut ist vor 5 Jahren aus Damaskus geflohen und lebt seit dem hier. Sein Haus wurde von einer Bombe getroffen. Sein linker Arm wurde dabei so stark verwundet, dass ihm Haut vom Oberschenkel transplantiert werden musste. Sein jüngster Sohn – auf dem Foto rechts vorne – war noch ein Säugling und ist unter den Trümmern verschüttet worden. Seine Familie grub ihn mit bloßen Händen aus und war dankbar als sie feststellten, dass er nur mit einer Kopfverletzung davon gekommen ist. Bis heute wachsen ihm an dieser Stelle keine Haare mehr nach. Er besucht den Kindergarten von Vision Hope in Kerak. Gestern und heute habe ich ihn dort spielen sehen, mir ist diese kahle Stelle sofort aufgefallen. Er lächelt mich im Kindergarten sehr oft an. Mahmuts andere Kinder wurden damals von einem Dachbalken gerettet, der an einer Stelle die Decke stützte und ein zeltähnliches Konstrukt formte, das die Kinder schützte.

Mahmut lebte mit seiner Familie erst im Camp Zaatari, doch dort sind sie fast erfroren. Also zogen sie weiter nach Kerak.
Das Camp war nur ein bisschen besser als der Tod
Mahmut lebt von 200 Dinar (etwa 250 Euro) die er von der UN bekommt. Sein ältester Sohn bringt auch etwas Geld nach Hause. Das ist alles was die siebenköpfige Familie zum Leben hat. Sie wohnen in einer Wohnung mit zwei Zimmern und einem Flur. Sie gaben mir die Erlaubnis Bilder davon zu machen.
Da die Schule kostenpflichtig ist, kann Mahmut nicht alle seine Kinder zur Schule schicken. Seine Tochter – auf dem Foto in der Mitte – ist 14 und geht seit 5 Jahren nicht mehr zu Schule. Sie beobachtet mich die ganze Zeit. Sie wirkt aufgeweckt, intelligent und freundlich und erzählt mir, sie würde gern nach Deutschland ziehen. Dann bringt sie mir Kaffee. Der Vater musste entscheiden wer nicht zur Schule gehen darf und da das junge Mädchen bald verheiratet werden kann, entschied er sich, ihre Brüder zur Schule zu schicken.
Als ich Mahmut nach seinen Träumen für die Zukunft fragte, antwortete er, dass er nur Wünsche für das Leben seiner Kinder habe. Sein Leben sei schon fast vorbei. Er träumt von einem besseren Leben für sie. Außerdem ist er traurig, dass die Kinder noch keine richtigen Freunde auf der Straße gefunden haben, weil sie nicht aus Jordanien kommen.
Seine Frau holt ihr Handy heraus und zeigt mir Bilder. Zwei ihrer ältesten Kinder leben noch in Syrien. Sie konnte die Hochzeit ihrer Tochter nicht miterleben. Ihr erstes Enkelkind hat sie bisher noch nicht kennengelernt. Mahmut wünscht sich, dass sie wieder “eine Familie” sein und gemeinsam mit Freunden, friedlich in Syrien leben könnten.



Als ich die schmutzigen Treppen in dem heruntergekommenen Haus hinunter gehe, weiß ich nicht, ob ich Dankbarkeit für mein eigenes Leben empfinden kann, wenn es gleichzeitig so viel Leid gibt. Es gibt Begegnungen, die man in seinem Leben nicht mehr vergisst: Mahmuts Tochter zu treffen ist eine davon.


Ehrenamt in Jordanien. Fotos und Text © Alea Horst für Vision Hope International.
Im Oktober 2016 besuchte Alea Jordanien. Von dort schickte sie uns Bilder und Geschichten, die wir hier in einer Serie von zehn Artikeln teilen werden. In Jordanien, diesem warmen, einladenden arabischen Reich sind 89 von 1000 Einwohnern Flüchtlinge, dies sind ihre Geschichten.